Dokumentarfilm. D/ES 2025, HD 16:9
Mallorca, ein Urlaubstraum. Eine Insel, auf der es zu viele Tourist:innen und zu wenig Wohnraum gibt. Aber zwischen bunten Sonnenschirmen und pittoresken Wanderwegen versteckt sich noch eine andere Geschichte: von Militärdiktatur und Zwangsarbeit, vom Vergessen und Verschweigen und vom Kampf um Gedenkorte, alles eng miteinander verflochten. Der Lehrer Jaume Serra Cardell aus Sa Pobla wurde 1937 in der Militärfestung Illetes auf Mallorca erschossen. Seine Nichte setzt sich heute für eine Aufarbeitung dieser Zeit ein und sammelt Beweise. Regisseurin Jule von Hertell geht auf der Baleareninsel auf Spurensuche und stößt auf Formen des transkulturellen Gedenkens wie auch auf politisch motiviertes Schweigen. Indem sie historischen Verstrickungen in der deutsch-spanischen Geschichte nachgeht, betreibt sie eine Art Filmarchäologie, die das Nichtsichtbare und seine Übersetzung erforscht. (Lili Hartwig, Nordische Filmtage)
Premiere auf den Nordischen Filmtagen Lübeck am 9.11.2025 um 13:15 im Filmforum: Archäologie der Erinnerung mit anschließendem Filmgespräch.
Filmvorführung inkl. Einführung und Filmgespräch im Rahmen des Workshops ‚Versehrte Landschaften‘ in der Gedenkstätte Flössenburg am 20.11.2025
Weitere Screenings folgen.
Als Ausgangspunkt meines Filmprojektes dient eine Militärfestung auf Mallorca – Fortí de Illetes –, die während der Diktatur von Francisco Franco ein Gefängnis und ein Ort von Hinrichtungen war und heute ein möglicher Gedenkort ist; jedoch zerfällt und leer steht. Ich untersuche in diesem künstlerischen Forschungsprojekt, wie die essayistische Verfahrensweise Erinnerung auf eine multiperspektivische Weise sicht- und fühlbar machen kann und dadurch eine selbstreflexive Filmwahrnehmung sowie ein diskursives Gedenken ermöglicht. Der filmische Essay ist eine künstlerische Form, die über Grenzen geht und schwer mit herkömmlichen Gattungsbeschreibungen zu fassen ist. „Dabei steigt er oft in die historische Zeit zurück, vergräbt sich in individuelle und kollektive Erinnerungen und konfrontiert sich mit schlummerndem Leid.“ (Michaela Ott, „Essayfilmen heisst leben lernen.“ 2011)
Authentische Orte und Zeitzeug*innen sind bedeutsame Quellen für die Aufarbeitung von geschichtlichen Ereignissen. Gleichzeitig werfen Veränderungen in der Gesellschaft und gesellschaftliche Diskurse neue Fragen in Bezug auf Erinnerung auf. Insbesondere die spanische Erinnerungskultur ist geprägt von einem bis heute anhaltenden, dröhnenden Schweigen, während viele Aktivist*innen der Aufarbeitung auf die, in der Außensicht gelungene Erinnerungskultur Deutschlands blicken. Die Fragestellungen an den konkreten Ort und die historischen sowie gegenwärtigen Verflechtungen betten sich in universelle Fragen an das Gedenken und die Erinnerungskulturen Europas beziehungsweise Spaniens und Deutschlands ein, die sich vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, Migration und Diskursen um (Post-) Kolonialismus verändern und entwickeln.
Das Filmprojekt ist Teil meiner künstlerisch-wissenschaftlichen Promotion an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und wurde als solche durch die Heinrich-Böll-Stiftung gefördert. Titel des theoretisch-wissenschaftlichen Teils: Lugares entrelazados. Gedächtnis im essayistischen Dokumentarfilm, Erinnerungskulturen in Spanien und transkulturelles Gedenken. (Voraussichtliches Publikationsdatum: März 2026)
Eintrag im Jahrbuch der Absolvent*innen: https://graduates.hfbk.net/25/jule-von-hertell